Wenn sich der Strom vom Acker macht

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Zu lange haben wir unseren Energiebedarf ungebremst wachsen lassen und ihn mit fossilen Trägern gedeckt. Jetzt muss dekarbonisiert werden. Dabei könnten Landwirt:innen mithelfen: Sie könnten in Zukunft ausser Gemüse und Früchten auch Strom anbauen.

Landwirtschaftlich genutztes Land ist eigentlich ein Apparat zur Verwandlung von Sonnenlicht in gespeicherte Energie in Form von Gemüse und Früchten. Derzeit wird intensiv erforscht, wie man auf dem gleichen Land auch noch Strom produzieren könnte. Denn wo Gemüse und Früchte wachsen, scheint mit Sicherheit auch die Sonne hin. Und das ist die einzige Bedingung, die man für den Betrieb einer sogenannten Agrifotovoltaik-Anlage erfüllen muss.

Die Agrifotovoltaik wird bereits in zahlreichen konkreten Anlagen erforscht und ist ein faszinierendes Thema. Über dem Ackerboden werden in rund fünf Metern Höhe Solarmodule auf grossen Traversen montiert und werden mittels Motoren und einer kostengünstigen Software so geführt, dass sie jederzeit im optimalen Winkel zur Einstrahlung des Sonnenlichts stehen. Und wer nun glaubt, dass Früchte und Gemüse wegen solcher Anlagen zu wenig Sonne zum Wachsen bekommen – der täuscht sich. Durch die Doppelnutzung des Bodens zur Gewinnung von Strom und Feldfrüchten erhöht sich die Landnutzungseffizienz teils sogar markant, wie diesen Spätsommer im Tages-Anzeiger zu lesen stand. «Es gibt Beispiele, wo die Produktivität des Ackerbaus trotz teilweiser Beschattung durch die Fotovoltaik zugenommen hat, weil man das Mikroklima unter den Solarpanels gezielt auf die Pflanzen anpassen kann», liess sich Jürg Rohrer, Professor für Ökologisches Ingenieurwesen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil zitieren. Man muss im übrigen kein Bauer sein, um zu verstehen, dass Hitzesommer wie der diesjährige für ungeschützte landwirtschaftliche Böden und deren Früchte sogar gefährlich sind. Etwas Schatten hätte bereits ab Juni 2022 so manchem Kartoffelfeld gut getan. Könnten wir in Zukunft grossflächig Felder beschatten und vor der Hitze schützen, während gleichzeitig Strom erzeugt wird, wäre das ein grosser Schritt für die Dekarbonisierung.

Bei den heutigen Preisen für Solarmodule wird die Stromerzeugung durch Sonnenenergie rasch kostendeckend. Probleme gibt es wie immer nur mit dem Speichern der gewonnenen Energie für Spitzenbedarfszeiten. Hier hoffen die Forscher:innen und Techniker:innen auf die immer zahlreicheren Elektroautos. Sind nämlich deren Batterien und die heimischen Stromnetze erst auf bidirektionales Laden umgerüstet, können die Batterien der Stromfahrzeuge als Zwischenspeicher dienen und unsere Spitzenbedärfe decken.

Dieses Beispiel zeigt: Wir dürfen beim Dekarbonisieren nicht verzagen – aber sollten einfach dazu bereit sein, eine Welt mit verändertem Gesicht zu akzeptieren.

Mehr zu diesem faszinierenden Feld findet ihr unter diesem Link.

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