Wie sähe die Kostenwahrheit bei unserem Lebensmittelkonsum aus?

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Lebensmittel einkaufen und zubereiten: Das kostet Geld. Aber nicht nur bei uns als Konsumierenden fallen Kosten für die Produktion von Lebensmitteln an. Im Hintergrund läuft so einiges, über das wir uns beim Verspeisen der täglichen Nahrung nicht bewusst sind – und von Kostenwahrheit für die ganze Gesellschaft sind wir weit entfernt.

In die sogenannte «True Cost»-Berechnung, also eine Aufstellung der Kostenwahrheit für alles, was an Leistungen von Natur und Menschen in die Lebensmittelproduktion investiert wird, fliessen zahlreiche Beträge ein, an die wir beim Butterbrotessen nicht denken. Diese Leistungen umfassen vor allem Umwelt- und soziale Folgekosten, die von der gesamten Gesellschaft getragen werden. Banales Beispiel: Als Verbraucher sind wir für die Freisetzung von Treibhausgasen verantwortlich, die zum Klimawandel beitragen. Das kann man erst einmal ganz wertfrei sehen – alle machen das, es geht gar nicht anders. Etwas komplizierter wird es bei der Verunreinigung der landwirtschaftlich genutzten Böden, die mit Dünger angereichert werden. Dieser Dünger taucht leider allzugerne im Grundwasser wieder auf, das wir als Trinkwasser nützen möchten. Dafür muss das Grundwasser aufwändig und teuer wieder aufbereitet werden. Die Kosten dafür übernimmt kein Landwirt und kein Supermarkt, sondern die gesamte Gesellschaft via das Trinkwassersystem. Das sogenannte True Cost Accounting befasst sich mit solch komplexen Sachverhalten und versucht, die Auswirkungen unserer Lebensmittelproduktion umfassend mit Geldwerten zu versehen.

Fleisch ist teuer fürs Gemeinwesen
Ein Forscher, der sich mit solchen Fragestellungen auseinandersetzt, ist Dr. Tobias Gaugler vom Institut für Materials Resource Management in der Universität Augsburg. Und er sagt in einem Interview mit der Infoplattform der Universität: «Unsere Untersuchungen offenbaren enorme Differenzen zwischen den bezahlten Erzeugerpreisen und den wahren Kosten.» Gemäss der Aufstellung seiner Studie sollte ein konventionell produzierter Apfel etwa 8% mehr kosten; Mozzarella gleich schon mal 52% mehr. Beim Fleisch wird es besonders schwierig. Eine vom Schweizer Thinktank in Auftrag gegebene Studie ergab, dass in diesem Bereich nicht nur die Subventionen durch den Bund sehr hoch sind, sondern auch die externen Kosten unvernünftig stark ins Gewicht fallen. Eine fleischbetonte Ernährung falle demnach mit über 1500 Franken mehr ins Gewicht denn eine vegane – und dieser Betrag wird von der Allgemeinheit getragen, wenn man die Studie für bare Münze nimmt.

Kontrovers aufgenommene Studie
Der Schweizer Bauernverbandpräsident Markus Ritter sieht die Zahlen naturgemäss kritisch, weil sie an die Grundfesten der Schweizer Agrarwirtschaft rühren. Die Ergebnisse deckten sich nicht mit den Zahlen seines Verbandes, liess er auf SRF verlauten. Die Studie ziele «am effektiven Konsum vorbei und nimmt die jetzige Praxis vom Bund bei den Beträgen für die tierische Produktion nicht auf.» Kilian Baumann, Nationalrat bei den Grünen, will hingegen der Studie zu breiter Wirkung verhelfen und sagt in der gleichen Geschichte, dass ausgerechnet der klimaschädliche Konsum vom Gemeinwesen am stärksten gefördert wäre.

Wir sind nicht hilflos, aber auch nicht allein verantwortlich
Na, mitgelesen bis hierher? Kleines Fazit: Es wird aufgrund der demokratischen Prozesse und des Schweizer Föderalismus lange dauern, bis wirklich griffige Vorschriften zur nachhaltigen und kostenwahren Lebensmittelproduktion erlassen werden, ausserdem ist jede Kostenwahrheit immer auch Sache der Weltanschauung. Wir bei Soil to Soul hingegen sind dafür, genussvoll Verantwortung für sich und die Umwelt zu übernehmen. Also: Weniger Fleisch essen, bewusster einkaufen, wenn immer möglich auf Produkte ausweichen, die ohne oder mit der minimalen industriellen Unterstützung (Dünger, Pestizide) hergestellt wurden. Konsequent Foodwaste vermeiden. Regional und saisonal einkaufen. So kommen wir Schritt für Schritt weiter. Und geniessen dabei auch das Leben.