Ja zu den Agrar-Initiativen am 13. Juni 2021

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Zwei Initiativen zu landwirtschaftlichen Themen stehen demnächst zur Abstimmung an: Es handelt sich um die Volksinitiative für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung sowie die Volksinitiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide.
Wir möchten euch nahelegen, beide Initiativen anzunehmen.

Um die korrekte Auslegung der Fakten zu den beiden Initiativen tobt derzeit ein erbitterter Kampf. Und es sei zugegeben: Sie wirken auf den ersten Blick etwas extrem. Aber wer den Politbetrieb in der Schweiz kennt, dem oder der ist klar, dass Initiativen kaum jemals eins zu eins umgesetzt werden. Sie geben die Peilung vor, nach welcher das Parlament als Gesetzgeber sich mehr oder weniger orientieren wird. Dies zur Einleitung.

Änderungen müssen ohnehin kommen

Hintergrund beider Initiativen ist, dass die Schweizer Landwirtschaft durch den Bund, also durch unser aller Geld, massiv gefördert wird. Dafür müssen die LandwirtInnen eine Gegenleistung erbringen: Sie tragen Verantwortung für die Pflege der Landschaft und des Bodens und leisten mit nicht bewirtschafteten Ausgleichsflächen einen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt. Nun ist die landwirtschaftliche Arbeit durch zahllose Sachzwänge und einen hohen Kostendruck geprägt – biologische Produkte haben trotz hoher visueller Präsenz im Marketing der Grossverteiler einen geringen Anteil am gesamten Markt. Zwischen 1990 und 2017 hat die Anzahl Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz von 92’815 auf 51’620 abgenommen. Die Zahl der konventionellen Betriebe hat sich dabei von 91’919 auf 44’982 mehr als halbiert, während der Bestand der Biobetriebe um den Faktor 7 von 896 auf 6638 Betriebe angewachsen ist (G1). 2017 waren 13% der Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz Biobetriebe.

Der Mainstream ernährt sich demnach von konventionell hergestellten Lebensmitteln und hält dies für einen guten Deal. Aber die langfristigen Kosten sind hier nicht eingerechnet: Nämlich die Folgen für unsere persönliche Gesundheit sowie die unserer Kinder, sowie die Folgen für die Umwelt und die Artenvielfalt als wichtigstes Mittel, das uns im Kampf gegen den Klimawandel zur Verfügung steht.
Pestizide, also chemische Mittel gegen «Unkraut» und gefrässige Insekten gelten in der konventionellen Landwirtschaft als einzige Möglichkeit, einen rentablen Betrieb aufrecht zu erhalten. Viele Bauern können jedoch trotzdem bereits jetzt nicht kostendeckend wirtschaften und geben auf; Sie verkaufen ihre Betriebe im Zug einer landesweiten Konzentration auf grössere Höfe. Es ist aber auch so, dass die Landwirtschaft sich gegenüber den Anforderungen der Umweltpolitik oft widerborstig zeigt; Alljährlich gibt es Fälle von Missbrauch und Ignoranz gegenüber den Vorschriften, die für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zentral sind. Derweil ist uns allen klar, dass die Landwirtschaft insgesamt umgebaut werden muss, weil es so wie bisher einfach nicht weiter geht; Was als Unkraut oder Schädling bezeichnet wird und den Ernten schadet, ist grundsätzlich vor allem ein Auswuchs der Monokulturen. Es sei übrigens gesagt, dass die Schweiz in dieser Hinsicht nicht schlecht aufgestellt ist! In Flächenländern ist der pestizidunterstützte Landbau die absolute Norm; Getreide für unser Bier und unsere Pasta sowie teilweise auch das Futter für unsere Milch- und Fleischwirtschaft wird dort angebaut. Die daraus resultierenden Schäden werden von der Schweiz exportiert:
Durch den Konsum von Gütern, die in anderen Ländern mit konventionellen Mitteln produziert werden, exportieren wir gewissermassen Umweltschäden. Sie fallen nicht in unseren Rechnungen an, aber woanders hat unser Konsum sehr wohl trotzdem negative Auswirkungen. Analog C02-Fussabdruck.

Trinkwasser gehört geschützt

Zur Trinkwasser-Initiative schreibt der Bund auf seiner Webseite: «Das Initiativkomitee ist der Ansicht, dass die heutige Landwirtschaftspolitik das Grundrecht auf sauberes Trinkwasser verletzt.» (Diesem Punkt wird vom Bund an keiner Stelle widersprochen.) Die Initiative wolle, dass Direktzahlungen [Unterstützungszahlungen durch den Bund, um die wenig rentable Landwirtschaft für die Agronominnen und Agronomen trotzdem lohnend zu machen, Red.] nur noch an Betriebe ausgerichtet würden, welche Antibiotika weder regelmässig noch vorbeugend einsetzen, die pestizidefrei produzieren und die in der Lage sind, alle Tiere mit Futter zu ernähren, das sie auf ihrem Hof anbauen. Der Politik gehen die Anliegen zu weit, es seien bereits Gesetzesänderungen ausgearbeitet worden, mit denen die von Pestiziden ausgehenden Risiken «vermindert werden sollen». Immerhin 81 NationalrätInnen waren für die Initiative. 107 waren dagegen. Im Ständerat war das Verhältnis 31 Nein zu 9 ja.

Stimmen aus der Landwirtschaft sehen die Initiative äusserst kritisch. Sie befürchten, bei einer Annahme nicht mehr kostendeckend (oder auch überhaupt nicht mehr) produzieren zu können. Organisationen wie die Aaargauer Jungfreisinnigen und einzelne Kantonalparteien der Grünliberalen sagen ja zu dieser Initiative. Spannend scheint uns, dass auch der Schweizerische Fischereiverband rundweg eine Annahme der Initiative empfiehlt, obwohl es sich dabei sicher nicht um einen Club der Linken Socken handelt – im Gegenteil. FischerInnen haben nun mal viel mit dem Wasser und den darin lebenden Wesen zu tun und sehen in ihrer Lage an der Front, dass auch im Wasser die Artenvielfalt abnimmt. Weiters hält die Schweizer Ärztezeitung fest, dass die Auswirkung des Pestizid-Einsatzes auf den Menschen offensichtlich da ist, aber nicht korrekt gemessen werden kann, weil diese Mittel immer im Cocktail und konzentrierter eingesetzt werden und weil es «durch den hohen Durchseuchungsgrad der Bevölkerung zunehmend schwierig wird, unbelastete Kontrollpersonen für epidemiologische Studien zu finden.» Hier weiterlesen.

Es ist manchmal erschütternd, wie wenig wir Menschen davon beeindruckt sind, was mit uns und unserer Umwelt passiert. Wir empfehlen euch deshalb ein JA, damit die InitiantInnen weiterhin Druck auf die Politik machen können.

Weg mit den Pestiziden aus den Kreisläufen

Dass am gleichen Wochenende eine weitere Initiative gegen den Einsatz von Pestiziden zur Abstimmung kommt, beleuchtet die Dringlichkeit dieser Anliegen. Auch hier sei kurz zitiert, was auf der Webseite des Bundes steht: «Das geforderte Verbot birgt die Gefahr, dass Pflanzen und landwirtschaftliche Produkte nicht mehr vor Bakterien, Viren usw. geschützt werden können, und es würde die Versorgung und die Vielfalt der Lebensmittel einschränken, mit negativen Folgen sowohl für die Konsumentinnen und Konsumenten wie auch für die Produzentinnen und Produzenten. Schliesslich würde das Verbot auch geltende internationale Handelsabkommen verletzen.» Tja. Derweil lesen wir in den Zeitungen von schwindenden Spermienzahlen, von Trinkwasserquellen, die vom Netz genommen werden müssen, von Grenzwerten (ok, die sind teils echt sehr tief angesetzt – aber etwa nicht zu recht?) die nicht mehr einzuhalten sind, besonders auch, weil sich gewisse Abbauprodukte der Pflanzengifte über die Jahre im Boden ansammeln.
Sauberes Wasser und funktionierende Ökosysteme sind wegen des Klimawandels unter massivem Druck. Es gilt, die Artenvielfalt zu bewahren – und aus unserer Sicht ist dies fast jeden Preis wert. Die Politik soll im Anschluss an eine (kaum realistische) Annahme der Initiative dafür sorgen, dass die Landwirtschaft auch bei strengeren Vorgaben weiterhin produzieren kann – aber dass weiter angebaut wird, ohne auf unsere elementarsten Lebensgrundlagen Rücksicht zu nehmen, gehört im Prinzip schlicht und ergreifend verboten. Das Klima verändert sich sehr zügig und alte Rezepte gehören über Bord geworfen; Und zwar auch wenn das vielleicht Folgen haben wird auf unseren derzeit vollkommen unlimitierten Einkaufs- und Speisezettel. Der Klimawandel wird über kurz oder lang ohnehin für tiefgreifende Veränderungen auch in diesem Bereich sorgen. Weiterhin Pestizide als das hauptsächliche Mittel der Wahl für die zuverlässige Produktion von Lebensmitteln zu sehen, ist einfach nicht die richtige Strategie. Man wird sehen müssen, wie Landwirtschaft und Forschung dereinst die anstehenden Probleme lösen – ohne Optimismus geht’s nicht!

Voilà, dies unsere Ansichten zu den bevorstehenden Weichenstellungen – diesmal auf etwas mehr Zeilen als sonst. Und warum führen wir keine Zahlen an? Weil die Annahme der Initiativen in unerkundetes Gebiet führen wird. Prognosen sind schwer zu machen, darauf wollen wir uns nicht hinauslassen. Unsere beiden Ja sind ein Statement zugunsten der Umwelt und ein Ausdruck des Willens zur Veränderung.

Veranstaltungs-Hinweis

Wer sich weiter über die Themen informieren will, kann sich folgenden Talk anhören und die Meinungen, Erfahrungen und Lösungsansätzen von vorderster Front erfahren:
Am 17. Mai um 21.00 Uhr präsentiert das Ernährungsforum Zürich online den FoodTalk #4. Mit Bernadette Oehen vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL, Ferdi Hodel, Geschäftsführer Zürcher Bauernverband, Martin Ott, Schulleiter biodynamische Ausbildung vom Gut Rheinau und Stephan Tschirren, Campaigner der Kleinbauern-Vereinigung wird für eine spannende Diskussion gesorgt sein. Die Leitung hat Jeannette Behringer vom Forum Demokratie und Ethik.

Hier gibt es weitere Infos und die Tickets zum Talk.