FoodReport 2024 - Hanni Rützler

Die Veredlung von Pflanzen wird klar ein neuer Schwerpunkt der Lebensmittelbranche, Fleisch tritt als kulinarische Leitsubstanz ab. «Bio» gilt nicht mehr als Königsweg in die Zukunft unserer Ernährung. Dies die Kernpunkte des 11. Foodreport, den Trendforscherin Hanni Rützler exklusiv in Zürich präsentierte.

Mit grosser Leidenschaft und fundiert auf einer unglaublichen Menge Wissen spürt Hanni Rützler ganzjährig feinsten Veränderungen in der Welt der Lebensmittelproduktion nach. Dabei sammelt sie weltweit Daten und Best-Practice-Beispiele zu noch kaum sichtbaren Tendenzen. Anschliessend folgt «intensive Arbeit an der Begriffsfront», wie die Unternehmerin das während der Präsentation nennt; sie prägt dabei neue, griffige Wortkombinationen für aktuelle Trends: Vegourmets, Carneficionados und Real Omnivores sind Beispiele aus dem 23er Jahrgang.

Bio allein kann nicht Zukunft sein
Im Report, den Rützler zusammen mit dem Frankfurter Zukunftsinstitut herausgibt, finden sich auch dieses Jahr spannende Einsichten. So hat sich in jüngerer Vergangenheit abzuzeichnen begonnen, dass die Lebensmittelproduktion nach Bio-Prinzipien nicht zukunftsfähig ist, weil sie einen rund 30% höheren Landbedarf auslöst – dies in einer Phase, in der die Menschheit die grösstmögliche Menge an landwirtschaftlich nutzbarem Land bereits überschritten hat, während die Anzahl zu versorgender Menschen nach wie vor wächst. «Biologische und biotechnologische Produktion müssen vereinbar werden», forderte Hanni Rützler anlässlich der Präsentation des Reports vor einer grossen Anzahl eines interessierten Fachpublikums am Zürcher Sitz von Soil to Soul, der von Zürich ausgehenden Bewegung für eine bodenbewusstere Ernährung. Ob ein Lebensmittel biologisch oder konventionell hergestellt worden sei, würde in Zukunft eine weniger wichtige Frage werden – wichtig sei vielmehr: Ist etwas tierfrei erzeugt oder enthält es (noch) tierische Anteile? Derweil steht die Agrarindustrie vor immer grösseren Herausforderungen von der Klimaseite her. In den reichen Ländern geht die Tendenz bei der Produktion von Lebensmitteln deshalb langsam, aber sicher in Richtung regenerative Agrikultur – eine ganzheitliche, undogmatische Idee, bei der es vor allem darum geht, die Böden zu schützen, damit sie auf lange Sicht Lebensmittel hergeben.

Eine Übergangslösung? Veredelte Pflanzen
In einem Exkurs ging die Trendforscherin darauf ein, wie eine weltweite Industrie sich bisher mit der aufwändigen «Veredelung» von Pflanzen zu tierischen Produkten befasste. Derzeit sieht es so aus, dass diese Industrie mittelfristig eine Transformation durchlaufen wird. Fleisch als Lebensmittel ist für die bevorstehenden klimatischen Herausforderugen schlicht zu wenig effizient. Es entsteht – wie das Schweizer Unternehmen Planted auf täglicher Basis beweist – eine neue Industrie, in deren Rahmen Pflanzen zu Produkten veredelt werden, die Fleisch vom Energiepotenzial und vom Genusserlebnis zumindest halbwegs nachstellen. «Die Pflanze wird neue Leitsubstanz der Kulinarik», wie es Hanni Rützler formuliert. Sie kündigt allerdings auch an, dass die Zukunft allerdings eher im Bereich der Präzisionsfermentation und der zellbasierten Fleisch- und Fischkulturen abspielen wird denn in jenem der oft nur unbefriedigend schmeckenden Fleischersatzprodukte. Rützler macht sich derweil keine Illusionen, was die Machbarkeit der grossen Umstellungen angeht: Auch angesichts des immer deutlicher erlebbaren Klimawandels mit all seinen Konsequenzen sei die Erwartung unrealistisch, dass wirklich weltweit 75% weniger Fleisch konsumiert würde. Auch hier zeigt der Kompass zur Lösung in Richtung regenerative Agrikultur, wo Tiere als Helfer beim Aufbau von Humus eingeplant sind und dementsprechend auch erst geschlachtet werden, wenn sie ein langes Leben unter freiem Himmel haben verbringen dürfen.

Beispiele für Best Practice aus den angesprochenen Bereichen:

Präzisionsfermentation: Formo (Käse aus Milch vom Bioreaktor)
Local Heroes: Luvi Fermente
Fleisch-Ersatz: Steak Tips von Beyond Meat
Seafood: Bluu zellbasiertes Fischfleisch